30.06. - 17.07.2010

Das Baltikum - ist es dort anders, nicht so europäisch, merkt man noch den Einfluß der russischen Zeit, der deutschen Besetzung?
Viele Fragen die uns bewegen, als wir uns auf die Reise zum Mittelpunkt Europas machen, im Juli 2010.....


30. Juni 2010, Autobahn A 7, meine 4. große Tour mit Bernd. Zunächst nach Hamburg, dort ein Besuch bei seiner Schwester und Schwager. Nach einem gemeinsamen Mittagessen weiter nach Lübeck/Travemünde zum neuen Fähranleger. Dort im großen "Glaskasten" sind die Büros der einzelnen Gesellschaften untergebracht, die mit ihren Fähren nach Skandinavien und ins Baltikum fahren. CheckIn 16:00 Uhr heißt es in unseren Buchungsunterlagen, da bleiben uns noch gut zwei Stunden. Während Bernd bei Rollern und Gepäck wartet mache ich mich auf die Suche nach dem Büro der SCANDLINES GmbH. Wir hatten die Passage vorgebucht, Travemünde - Ventspils in Lettland. Sonst ist, außer der ersten Übernachtung in Lettland, nichts vorgebucht, keine Fähre, keine Übernachtung. Ich erhalte die mit Barcode versehenen Karten, für Kabine, Personen und die Roller. Einfahrt 2 oder 3 hatte der freundliche Mann am Schalter gesagt. Die sind durch Schranken gesichert, wo ist der kleine Schlitz für die Karten? Rätselraten, ein nachfolgender Autofahrer ist auch nicht schlauer. In Einfahrt 3 fährt ein großer Lkw ein. Der Fahrer kurbelt die Scheibe herunter und schiebt seine Karte in Augenhöhe in einen Schlitz, Schranke auf, weg ist er. Bernd reckt sich, klettert fast und erreicht den Schlitz, Karte 'rein, Schranke auf. Unglaublich, ist das eine Fähre nur für Lkw's? Warum haben wir bloß das Foto vergessen!? (freue mich über jede Zuschrift aus der ich lernen kann, was wir übersehen haben ?) Die Fähre ist zu 80 % von Lkw's und den Fahrern belegt, der Rest Touristen wie wir. Touristen erkennt man schnell an der schwarzen Bauchtasche, gut für böse Räuber die dann wissen wo alles Wertvolle zu finden ist. Im Fährpreis :Zweibett Kabine, alle Mahlzeiten inklusiv. Die Mahlzeiten sind ok, machen satt und die Fernfahrer schaffen große Portionen. Unsere Innenkabine ist klimatisiert, Naßzelle, alles da.

mit Geschick werden die Lkw's auf dem Deck rangiert, dicht an dicht, zum Schluß lassen sich die Fahrertüren kaum noch öffnen

 

Bernd verfolgt die Einparkmanöver

Mit zwei Stunden Verspätung legen wir ab, essen, Beine vertreten, es geht uns gut. Der kleiner Kreis von Fahrern, vielleicht Mitglieder eines lettischen Volkschores, beendet die Übungsstunde in den benachbarten Räumen und einer guten Nachtruhe steht nichts mehr im Weg. Am nächsten Morgen kein Verbindung über die Handys, sind wohl von der nächsten Mobilfunkstation zu weit entfernt. Zum Frühstück steht einem rustikalen Genuß nichts im Weg, warme Würstchen, Hackfleischbällchen, aber auch Käse und Marmelade und Müsli.
Beim Einchecken müssen wir unsere Ausweise abgeben, auf Nachfrage erhalten wir die Auskunft, wenn wir unsere Zimmerschlüssel beim Verlassen der Fähre wieder abgeben, bekommen wir die Ausweise zurück. Ein perfektes System um festzustellen wer in der Nacht über Bord gefallen ist. Es ist noch hell, als wir Donnerstag um 22:30 Uhr den Hafen von Ventspils erreichen. Wir haben hier osteuropäische Sommerzeit heißt, die Uhren eine Stunde vorstellen. Nach einigen Kreisen haben sich unsere " Navis" beruhigt und wir finden das nette, saubere Hotel, wo uns ein freundliches Mädchen wohl schon erwartet. Navigationsgeräte.... - zum Glück hat Bernd vor der Reise komplette, neue Daten vom Baltikum auf sein Gerät laden können, das hat uns sehr geholfen. Bei meinem sollten 50 % der Straßen verfügbar sein. Herr Medion meint damit aber die großen Städte und die "Autobahnen". Wenn man, wie wir, das Land auf kleinen Straßen
kennenlernen will, steht man dann im Dunklen, auch wenn die Sonne scheint.

 

Dicht bei Ventspils liegt Kuldiga, bekannt durch den längsten Wasserfall Europas, wir bummeln durch Kuldiga, probieren die neue Währung. lettische Lats. Es war nicht ganz einfach, jedes Land verfügt über eine eigene Währung die sich sehr voneinander unterscheiden. Litas in Litauen, ein Lita ca. 0,29 Euro, Lats in Lettland, ein Lats = 1,40 Euro und in Estland die estnische Krone, eine Krone = 0,06 Euro. Eine Umrechnungstabelle für das jeweilige Land ist für uns unentbehrlich gewesen.

in Kuldiga

Der längste Wasserfall Europas, im Frühjahr bis zu 270 m,
aber nur ca. 2 m hoch, dahinter kann man baden.

Auf dem Weg dahin
eine hölzerne Fußgängerbrücke.

Es fallen die vielen Schlösser auf, die sich an Stahlseilen und Ketten dort befinden. Hier schwören sich Liebespaare ewige Treue und schließen als Zeichen ein Schloss an, der Schlüssel wird in den kleinen Fluß darunter geworfen...gibt ja auch noch Bolzenschneider...
wenn es schief geht.

 

klick auf das kleine
Bild, Info zum
Wasserfall

Einsam und sehr schön am Kap. Wir müssen ein paar Minuten gehen, die Roller bleiben auf einem Parkplatz. Der Junge, der den Parkplatz ,bewacht füllt den Parkschein mit der Hand aus, 16:25, 1 h 1Lts. Ein Stempel auf dem Zettel weist in englisch darauf hin, dass das Baden am Kap gefährlich sei. Wahrscheinlich Strömungen?
Die Fahrt zum Kap Kolka führt durch den Sliteres National Park. Die Straße ist zwar asphaltiert,aber es ist wellig (huckelig) habe den Eindruck, es sind nur Asphaltplacken auf der auf der Straße.

weißer Sandstrand, einsam, Kap Kolka - auch von Tucholsky erwähnt

bequem so eine Rampe
Viesnīca, heißt auf lettisch Hotel, haben wir schnell gelernt.
So ein Viesnīca finden wir in Roja, nett, sehr schön, Preis
auch schön. Was das Mädchen an der Rezeption nicht erzählt hat, abends kommen sehr gut gekleidete Mädchen und Jungen, sitzen im großen Saal, essen, trinken...und dann als zwei müde Rollerfahrer schlafen wollen, geht unten die Disco los. Suche Ohropax heraus, damit höre ich nur noch das Dröhnen der Bässe. Irgendwann habe ich nichts mehr gehört. Bernd auch nicht, er nahm seine Hörgeräte heraus...

Am Straßenrand sitzen oft Menschen hinter einem
kleinen Stand und bieten Tomaten, Gurken, manchmal
auch Kartoffeln an. Sicher oft nötig, um die kleinen
Einkünfte aufzubessern.
Kurzeme / Kurland, blauer Himmel, tiefe Wälder, wie habe ich es mir sonst vorgestellt?
Es ist ein anderes, sehr einfaches Leben, das erkennt man sehr bald. Die Menschen müssen mit wenig auskommen. Wieviel verkauft wohl die alte Frau von ihren Gurken, Tomaten, für wieviel sitzt sie stundenlang in der Sonne und die Autos rauschen vorbei... In Riga sehen wir um 22:00 Uhr noch alte Menschen mit wenigen Schälchen Himbeeren oder kleinen Erdbeeren am Straßenrand sitzen oder drei kleine Sträuße Blumen anbieten. Gegenüber sitzen wir, Touristen im Restaurant und essen. Den Rentnern wurden die Rente um 10 % gekürzt, den Polizisten die Einkünfte um 20 % und den Lehrern um 40 %, erzählt man uns in Riga. Wenn ein Rentner mit dem Wenigen nicht auskommt, ist er auf Verwandte und Freunde angewiesen, staatliche Unterstützung gibt es nicht.

Wir wundern uns über die Menschen, oft weit entfernt vom nächsten Ort, die zu Fuß gehen mit Taschen in der Hand; Busse fahren nicht oft und kosten Geld. Haben die Menschen vielleicht kein Fahrrad?


Eine Bank, ein Schild, keine Tafel mit Abfahrzeiten

Wir fahren über Jurmala, die lettische Riviera, nach Riga. Heiß in Riga, wollen gern im alten Zentrum eine Unterkunft finden, das klappt nicht. Einbahnstraßen und Fußgängerzonen. Leicht genervt stellen wir die Roller ab. Ein Mann spricht uns in gutem Englisch an. Er wüßte eine Unterkunft, preiswert, nur ein paar hundert Meter entfernt. Wir gehen mit, er führt uns zu einem Hostel, ein paar Treppen hoch. Er spricht von seiner Arbeitslosigkeit und den Kindern zu Hause. Mit einem Trinkgeld zieht er ab. Das Zimmer im Hostel ist sauber, heiß, mit Blick auf einen großen belebten Platz. Gemeinschaftsduschen, Waschbecken und Toiletten auf dem Flur.
Ein Mann liegt noch auf einem Bett in unserem Zimmer, man hat ihn wohl beim Saubermachen übersehen... er muß gehen, die freundliche Dame vom Empfang bezieht schnell das Bett neu. Zurück zu den Rollern entschließen wir uns sehr langsam durch die Fußgängerzone zur Unterkunft zu fahren, keiner meckert uns an. Nach einigem Suchen finden wir einen bewachten Parkplatz für die Roller, in der Fußgängerzone können sie nicht bleiben.
Am Morgen sehe ich, dass man sich auch am Waschbecken waschen kann ohne die Mütze, Schlägermütze, vom Kopf zu nehmen. Sachen gibt es. Frühstück gibt es nicht im Hostel, doch es gibt genügend nette Cafes. Am Abend spielt Deutschland gegen Brasilien, WM 2010. Auf den Plätzen sind große Bildschirme aufgebaut. Wir bekommen nicht viel mit, es ist zu voll. Habe den Eindruck das Publikum jubelt manchmal an der falschen Stelle.? Zwei Nächte bleiben wir in Riga, eine schöne Stadt voller gut gekleideter Menschen. Auffallend die vielen hübschen und schlanken Mädchen und Frauen, oft in Röcken und Kleidern statt Jeans.
Auffallend auch, Straßen und Plätze sind sehr sauber, kein Abfall, Plastik, Müll oder Kippen. Das fiel uns in allen drei Ländern auf. Früh morgens sind auch schon Leute mit einem Reiserbesen, so richtig aus Birkenruten, und Eimern unterwegs und fegen die Straßen. Auch am Sonntag, oft ziemlich alte Menschen, sicher eine finanzielle Notwendigkeit. Zwei Drittel der lettischen Bevölkerung lebt in den Städten, ein Drittel der Gesamtbevölkerung in Riga, also ca. 700 000.


Im Wagner-Konzertsaal in der Riharda Vagnera 4 gleich neben dem Livenplatz befand sich einst das erste deutsche Theater der Stadt, das Stadttheater Rigas. Bedeutende Musiker hatten hier ihre Wirkungsstätte, darunter Franz Liszt, Hector Berlioz, Robert Schumann und Anton Rubinstein. Von 1837 bis 1839 war Richard Wagner hier als erster Kapellmeister tätig, in dieser Zeit studierte er über 20 Opern ein. In Riga arbeitete Wagner übrigens an Rienzi, seiner ersten wichtigen Oper. Trotzdem musste er 1839 die Stadt hoch verschuldet auf der Flucht vor seinen Gläubigern verlassen


Für jeden Roller ein Genuss, diese Straßen

Das Hostel in Riga


Schöne Fassaden, hier das Schwarzhäupter Haus erinnern an Rigas Zeiten in der Hanse.

Riga ist darüber hinaus als Stadt des Jugenstils bekannt


Sie duften, sehen schön aus und stehen bei den Letten hoch im Kurs: Blumen. Zu jedem Anlasse verschenken die Nordeuropäer Blumen.

Musik, die Letten sind stolz auf ihre Lieder und
tragen sie gern vor, man sieht ihnen die Freude dabei an.
Das lettische Volkslied ist eine Tradition mit langer
Geschichte und es ist immer noch sehr lebendig in
der heutigen lettischen Kultur. Die Daina ist eine
mündlich überlieferte literarische und ästhetische
Kunstform. Sie ist ein Symbol, welches die lettische
nationale Identität in den letzten zwei Jahrhunderten
geformt und geprägt hat. 

Bis Pärnu wollen wir heute durch den Gaujas National Park. Navigation nach Karte und Navi, interessiert von kleinen Motorfans begrüßt.


staubig, Schotter, einsam

und ohne Schatten

das Navi findet nichts mehr

Pärnu ist ein hübscher kleiner Kurort und die Wirtin der Villa Johanna recht geschäftstüchtig, etwas mißtrauisch, Schlüssel für die Haustür bekommen wir nicht mit, leider verlaufen wir uns am späten Abend, wie hieß doch noch mal die Straße? Peinlich. So hat die Wirtin wohl schon fest geschlafen als wir sie in der Nacht herausgeklingelt haben. Sie hat uns verziehen. Noch eine Besonderheit hat Pärnu. Wir wollen am Nachmittag in der Sommerhitze zum Strand. Eine Frau spricht uns an als wir den Weg durch die Dünen gehen. Wir verstehen nichts. Dann kommen zwei Frauen, sie sprechen uns auf Englisch an - wir befinden uns auf dem Weg zum Ladybeach, zum Strand für Damen. Hätte uns ja nicht gestört, aber wir haben keinen Helm mit... so kehren wir um. Einen Männerstrand haben wir nicht entdeckt, nur einen für alle. Gibt es keinen lettischen Gleichstellungsbeauftragten?
In Virtsu nehmen wir die Fähre nach Muhu, eine Insel, von dort geht eine Brücke zur Insel Saaremaa und gehört bereits zu Estland. Saaremaas Hauptstadt, Kuressaare ist beschaulich und hat gerade 16 000 Einwohner. Natürlich touristisch voll erschlossen, doch nicht überlaufen. Ein Ziel die wuchtige Bischofsburg aus dem 14. Jahrhundert. Gut erhalten steht sie innen und außen für Besichtigungen zur Verfügung.
Die Hotels sind hier in einer anderen Preisklasse. Im Reiseführer hatte ich bei Marco Polo gelesen: Laura ein Geheimtipp, so preiswert und so zentral, doch leider nur 4 Zimmer. Bernds Navi findet Pension Laura.. Keiner da, keine Klingel, auf dem Hof zwei Männer vor einer Hinterhofgarage. Wir fragen nach Laura, eine Telefonnummer an der Wand, einer der beiden greift zum Handy, Laura dran, er gibt mir sein Handy. Laura spricht Englisch, in 1o Minuten will sie dort sein.
Laura entpuppt sich als reizende gepflegte Dame um die 60. Zur Zeit sind wir die einzigen Gäste, sie erkundigt sich was wir morgen zum Frühstück möchten, Müsli, Saft, Eier? Nein, bezahlen könnten wir morgen, sie sei um 8:30 wieder da um das Frühstück zu servieren. Sie wohnt am Stadtrand. Das Frühstück war Klasse, wir bleiben noch eine weitere Nacht, 44,00 € für das Doppelzimmer und Nacht, mit Frühstück. So verbringen wir einen ganzen herrlichen Tag auf Saaremaa, fahren zum Ende der Insel in leichter Kleidung und Sandalen und ohne Gepäck. Rechtzeitig am Nachmittag sind wir zurück, rechtzeitig denn ein kräftiges Gewitter brachte Fluten von Wasser, muß ja nicht sein.


Steinmännchen soweit das Augereicht. Für
jeden meiner Lieben will ich einen weiteren Stein hinzulegen. Ich habe lange zu tun.

Heute führt eine Brücke über den Wassergraben zur Burg

Lauras Gästehaus

einsame Landschaft auf Saaremaa

zwischen den flachen Felsplatten wachsen noch blühende Pflanzen

Am nächsten Tag ist die Insel Hiiumaa, die kleine Nachbarinsel von Saaremaa unser Ziel. Eine Fahrt mit der Fähre. Hiiumaa, die "leere" Insel, 12000 Einwohner. Auf dem flachen Eiland sind die Möwen heute eindeutig in der Überzahl, steht im Reiseführer.


Bernd hat die Angewohnheit erst zu tanken wenn der Tank leer ist Seine Macke, seinen Benzinvorrat selbst in Gegenden, wo Tankstellen äußerst rar sind, bis zum letzten Tropfen auszureizen, war ja schon von unserer Norwegen-Tour bekannt. E hat ja auch immer ein nicht zu fassendes Glück. Diesmal gönnte er sich sogar den Triumph, 2 km vor derangepeilten Tankstelle, seinen 0,5 ltr. Reserve-Kanister nicht die ganze Zeit umsonst mitgeschleppt zu haben!

Die Tankstelle hat sich beim nächtlichen Gewitterguß in einen See verwandelt. Ein Wagen der Kanalreinigung versucht das Wasser abzusaugen, es riecht nach Gülle, aber Bernd kann tanken. Wozu aufregen?


Holz ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im
Baltikum

 

 

 

 

Wir übernachten auf Hiiumaa in einem netten Hotel. Sehen uns am Abend in der Hotelhalle das Spiel Deutschland gegen Spanien an. Vier weitere Gäste verfolgen das Spiel, sie leeren neben einigen Flaschen Bier noch eine große Flasche Jägermeister. Alles ist friedlich, scheinen Training zu haben. Das Spiel ist aus, was soll man noch sagen, wir gehen schlafen. Am nächsten Morgen, ich suche meine Sachen zusammen. Mein Portemonnaie ist weg, Bargeld, Ausweise, Kreditkarten, Führerschein, Fahrzeugpapiere...Adrealin pur. Ich stürze in die Hotelhalle, das freundliche Mädchen vom Vorabend lächelt mich an, greift unter den Tresen, mein Portemonnaie.
Ich könnte sie küssen, habe ich natürlich nicht, könnte meine Enkeltochter sein. Sicher ich habe mich bedankt, Trinkgeld und so. Ich brauche einige Zeit um mich vom Schock zu erholen. Dank an die ehrlichen Estländer/innen!

Saaremaa und Hiiumaa sind für die hölzernen Windmühlen bekannt. Wir machen eine Pause um diese schöne Mühle zu fotografieren als zwei Mädchen erscheinen. In gutem Englisch
sprechen sie uns an. Woher, wohin, wie uns Estland gefällt. Dann ihre Frage, das eine Mädchen will nach Hause ob wir sie nicht fahren können? Nur 5 km. Wir halten Rat. Woher einen Helm nehmen? Nach unseren so guten Erfahrungen in diesem schönen Land wollen wir helfen. Das Mädchen erhält meinen Helm, klettert bei Bernd auf den Sozius, ich habe an der Stelle auf meinem Roller einen Gepäcksack. Bernd lächelt verhalten und fährt los. Nach 20 Minuten ist er zurück, lächelt noch immer.
Meinen Helm hat er auch mitgebracht.
Ob die Mädchen ihren Eltern erzählen, dass sie mit fremden Deutschen durch die Gegend fahren. Wir sehen sicher vertrauenserweckend aus...

Mit der Fähre erreicht man in ca. 1 Stunde das Festland. Über Rohukula, Haapsalu, Linnamae, Padise, Keila nach Tallinn. Die Nähe zu Finnland erkennt man auch an den Ortsnamen in Estland. Estland ist sehr zu Finnland orientiert. Viele Finnen machen dort auch Urlaub.
In Tallinn ist es heiß, wir suchen eine Unterkunft, zwei Nächte wollen wir bleiben, für die Hauptstadt braucht man etwas mehr Zeit. Ein Mann spricht uns an, er spricht deutsch, hartes deutsch. An unserem D auf den Nummerschildern hätte er erkannt woher wir kommen. Auch mit seiner Hilfe kommen wir mit den Rollern nicht zur INFORMATION, Touristenbüro. Die Navis wollen uns durch Einbahnstraßen, falsche Richtung, und Fußgängerzonen dorthin schicken. Wir parken da wo man nicht darf und gehen zu Fuß. Die Dame im Touristenbüro empfiehlt uns einige Hotels, im Innenstadtbereich nicht gerade günstig. Dann hat sie noch einen Tipp, Hotel G9. Sicher kein Hotel wo die Teilnehmer der G7 Staaten ihre Konferenzen abhalten. Das Hotel liegt sehr zentral, 4. Etage, kein Fahrstuhl, aber sauber, Dusche, WC, kein Frühstück. Dort bleiben wir. Duschen, dann in die Altstadt von Tallinn.
Es ist eine schöne mittelalterliche Stadt, vieles gut erhalten und restauriert. Es ist für mich die schönste Stadt auf unserer Reise. Natürlich entsprechend viele Touristen, wie wir. Wir gehen nett essen, bummeln durch die Straßen. Morgen haben wir den ganzen Tag für Tallinn.
Auch in Tallinn eine ganze Straße nur mit Blumengeschäften, die um 22:00 Uhr noch geöffnet haben.
Es duftet nach vielen Lilien.


Handarbeiten an der alten Stadtmauer

Zeit für einen Kaffee im Cafe mit schöner Inneneinrichtung


interessante Märkte



Ein Tag inTallinn - wir besichtigen Museen, Kirchen, einen mittelalterlichen Wehrgang. Auch nach einer Woche hätten wir nicht alles gesehen. Tallinn ist auch Hafenstadt, mit einem bedeutender Fährhafen. Hier legte auch die ESTONIA im September 1994 ab und versank auf dem Weg nach Finnland. Ein modern gestaltetes Denkmal mit Blick auf den Hafen erinnert an die 825 Menschen die dabei umkamen.
Der 28. September ist nationaler Trauertag in Estland.

Es wird Zeit Tallinn zu verlassen. Durch den Lahemaa Nationalpark und dann ist der nördlichste Punkt erreicht und die südliche Richtung wird die Fahrt bestimmen. 59°35'08.69" N und 25°42'16.20" E ist die Position, für Geocacher... Es ist Samstag als wir Tallinn verlassen, "unser" Cafe zum Frühstücken macht erst um 10:00 Uhr auf, also los mit leerem Magen, gefällt mir gar nicht. Die Straßen werden nicht besser; Schotter, abenteuerliche Baustellen. Der rechte Teil der Straße wird erneuert, der linke Teil ist von den alten Asphaltresten befreit, der Verkehr wird über die Sand/Schotterreste geführt. Es staubt, mag mir nicht ausmalen wie wir hier bei Regen durchgekommen wären. Die sogenannten Autobahnen sind keine nach unserem Verständnis. Es gibt Linksabbiegerspuren, kaum Leitplanken, Bushaltestellen und die Radfahrer sind gern gesehen auf den Fahrbahnen. Zu den Bushaltestellen führt dann ein Trampelpfad aus dem Wald.
Ein Schild mit Messer und Gabel Piktogramm verleitet unterwegs zum Abbiegen. Der Gasthof am Gut Kolka ist geschlossen. Daneben aber Gut Kolka. Eindrucksvoll die mächtigen Säulen des Gutshauses. Gemähte Rasenflächen, ein schöner Park, eine Hinweistafel auf die wechselvolle Geschichte des größten Gutes in Estland, sonst wirkt alles verlassen. Kein Frühstück. Das finden wir dann doch in einem "Pub" Kaffee, Blätterteig gefüllte Taschen mit einer kalten Fleischfüllung.


Eindrucksvoll die mächtigen Säulen des Gutshauses

hier auf das Bild klicken zur Infotafel Gut Kolka

Kunst, Betonkoffer in Loksa

Schöne Aussichten im Lahemaa Nationalpark


Die gefällten Erlen haben wieder ausgeschlagen, zusammen mit den blühenden Pflanzen (Mädesüß), verwandeln sie die abgeholzte Fläche in eine neue Landschaft.

Die letzte Übernachtung in Estland in Tartu. Heute verlassen wir Estland, bye Eesti, see oli kena. Die Grenze nach Lettland ist durch einen Pfahl gekennzeichnet, Schengener Abkommen, wir sind allein. Mittlerweile fahren wir in luftiger Kleidung, entspricht sicher nicht unserem üblichen Sicherheitsstandard, doch bei über 30 Grad halten wir es in den Jacken nicht mehr aus. Die Straßen werden nicht besser. Die Hitze macht uns doch zu schaffen. Wasser, wir trinken es nur aus gekauften Mineralwasserflaschen, wird im Gepäck schnell warm. Am Nachmittag Pause in einen der vielen kleinen Ortschaften. Ein Cafe. Die vielen auf bunten Bildchen dargestellten Snacks sind gerade nicht mehr vorrätig. Egal, Kaffee und diese Rosinenschnecke. Milch zum Kaffee gibt es nicht, sagt die hitzegestresste Lady hinter der Theke. Also schwarz der Kaffee, die Schnecke ist von Ostern oder Pfingsten, doch preiswert, umgerechnet € 1,60 zusammen.

Manche Waldstrecken gehen über 40 km, mal durch lichte Kiefern- oder dunkle Fichtenwälder.

Zwischendurch kleinste Höfe, einfache Holzhäuser, zwei Kühe am Straßenrand, die Heuernte ist Handarbeit. Die Brunnen werden noch genutzt.

Rezekne, Lettland. Das Hotel war gut, der Blick am Morgen aus dem Fenster... es wird wieder ein heißer Tag

Ein freundlicher Polizist gibt uns Tipps was wir nicht versäumen sollen. Auch hier wieder ein Nationalpark, zahlreiche Seen.

wieder Schotterstraße, selten Autos doch die fahren nicht langsam um die kleinen Bodenwellen weniger zu spüren. Wir spüren alles, auch den Staub

Schotter ohne Ende, das ist nicht schlimm, vorsichtig fahren, etwas schlingern, noch langsamer. Schlimm sind die kleinen Bodenwellen, wie Wellblech, regelmäßige Querrillen. Alles klappert, scheppert obwohl wir nur langsam fahren können. Ich fürchte um meine Plomben in den Zähnen. Bernd vorweg, fährt ganz rechts auf dem sandigen Streifen, da sind die Rillen nicht so stark. Dann kommt ein Loch (siehe Pfeil im Bild), er rutscht weg, ihm ist nichts passiert. 33 Grad, kein Schatten, Mücken und Bremsen. Wir schaffen es nicht, die 230 kg aufzurichten, rutschen weg. Nach 10 Minuten kommt ein Lkw, wir halten ihn an. Zwei Männer ziehen sich Handschuhe an und mit vereinten Kräften richten wir den Roller auf und bringen ihn wieder auf die "Straße". Was sollten wir ohne die freundliche Hilfe der Letten wohl machen?! Etwas Panzerband, vom Handschuhfach fehlt ein Teil das wir im Gras und Gestrüpp nicht wiederfinden. Bernd ist unversehrt. :)
Im Gegensatz zu leichten Rollern oder einem geländigen Motorrad/Enduro reagieren unsere schweren Roller, 235 kg Leergewicht, wenn sie auf Schotter und Geröll einmal ins "Schwimmen" geraten, ziemlich schwerfällig. Gesamtgewicht, mit Fahrer und Gepäck dürfte bei 320 kg liegen. Da kann man die Trägheit der Masse auf Schotter oder Sand nur schwer ausgleichen.
An einem idyllischen See finden wir eine urige Unterkunft. Der See mündet in einen kleinen Fluß der eine Mühle speist, dahinter badet das ganze Dorf. Fühle mich in eine heile Welt versetzt. Warmes, klares Wasser, ein überdachter Sitzplatz, daneben eine kleine Gaststätte. Die Unterkunft, es geht eine steile Stiege hoch, hat mehrere kleine Zimmer, ein kleines Bad/Toilette, keine Dusche. Die Toilettenbürste hat wohl auch schon die Zarenzeit erlebt. Dusche brauchen wir nicht, ein hölzerner Steg führt zum See. Wir schwimmen, baden, herrlich. Bernd wäscht seine dreckige, verstaubte Hose. So kann ich mit ihm nirgends hingehen.

Eine wunderbare Übernachtung, ein morgenliches Bad im See, nicht mal die Badehosen brauchen wir, kein Mensch ist so früh auf. In der Gaststätte hatten wir für uns am Abend Frühstück bestellt. 8:30 Uhr. Um Acht Uhr dreißig hängt noch ein Schloß vor der Tür. Dann kommt ein Mädchen, nicht die von gestern Abend, sieht wie die Schwester aus. Frühstück? Ach ja, 15 Minuten, sie geht über die Straße, da ist ein kleines Geschäft. Nach 15 Minuten balanciert sie ein Tablett über die Straße. Kaffee, Weißbrot, Marmelade, Käse und Butter. Zum Streichen benutzen wir den Holztisch und teilen uns ein Messer. Der kleine Fluß rauscht durch das Mühlenwehr, die Sonne scheint, die ersten Mütter baden mit ihren Kleinen. Ein kleines Paradies.


ein Dorfladen


Iydliisch? Sicher, Holzhäuser, im Hintergrund der See, doch hier im Winter leben? Keine Heizung, kein fließendes warmes Wasser, wo ist der nächste Laden?

Hinter Daugavpils haben wir die Litauische Grenze überquert. Dicht beim Dorf Purnuskes nahe Vilnius liegt der Mittelpunkt Europas, so der Reiseführer. 54° 54' 0" N und 25° 19 " 0" E, darauf habe ich mein Navi schon in Deutschland programmiert. Dicht an der A14, die man dort problemlos verlassen kann, geht eine geschotterte Straße zum Punkt. Hinweisschilder in vielen Sprachen weisen auf die geografische Besonderheit hin.Den kleinen Parkplatz teilen wir uns mit einem Auto - aus Göttingen. Wir gehen 200 m und stehen vor einem aufwendigen Bauwerk. Marmorplatte, eingelassene Windrose und eine hohe Säule mit goldenen Sternen der EU als Krone. Nacheinander stehen wir auf dem Mittelpunkt, machen Fotos. Zu Hause glaubt es ja doch wieder keiner. Jeder hat halt einen anderen Mittelpunkt.


Einmal auf dem Mittelpunkt Europas stehn

hier klicken - Infos zum Mittelpunkt
Europas

Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer bis Vilnius. Dort haben wir uns mit Alvida und Dietmar verabredet. Durch die Springer Rollerfreunde haben wir ihre Adresse und wollen sie besuchen. Vilnius (Wilna) ist groß, Hauptstadt von Litauen mit 600 000 Einwohnern. Der Verkehr ist schnellfließend und die Fahrer fahren sportlich. Es ist nicht einfach Bernd zu folgen. Mit Navihilfe finden wir die Wohnung von Alvida und Dietmar, schnell durch eine gesperrte Baustelle und wir sind da. Bei Kaffee und Kuchen wird erzählt. Dietmar hat seine Zelte in Deutschland abgebrochen und ist zu Alvida nach Litauen gezogen. Sie berichten von ihrem Gehöft vor den Toren von Vilnius das sie zur Zeit ausbauen um mal später einen Anlaufpunkt für Roller-und Motorradfahrer anzubieten. Abschied von den beiden, wir wollen uns am Abend noch die Altstadt von Vilnius ansehen. Dietmar hat uns ein Hotel empfohlen, es ist dicht an der Altstadt. Die sehenswerte Altstadt ist und wird aufwendig restauriert. Wir finden draußen ein nettes Lokal und ein Sonnenschirm bietet Schutz vor einem heftigen Gewitterschauer. Nach einem Bier ist das Gewitter vorbei, wir wollen noch viel von der Stadt sehen denn morgen sind wir wieder auf Tour.


Die sehenswerte Altsstadt wird aufwendig restauriert. Viele Kirchen, wie unten die orthodoxe Kirche, erstrahlen schon im neuen Glanz.
Anderen sieht man noch an, dass sie lange als Lagerräume genutzt wurden. Kämpften doch noch 1990/1991 die Litauer noch für ihre Unabhängigkeit und verbarrierkadierten sich unter Landsbergis im Parlament. Einige der Barrikaden stehen noch heute.

Am Mittwochmorgen verlassen wir die Stadt. Am Wochenende, so der Plan, wollen wir von Klaipeda (Memel) eine Fähre nehmen und Richtung Heimat fahren. Überlegungen durch Polen auf dem Landweg zu reisen sind schnell beiseite geschoben. Die Temperaturen sind zu hoch. Kaunas als Großstadt werden wir umfahren, aber die Kurische Nehrung erscheint uns als Muß. Eine Übernachtung werden wir vor Klaipeda noch einlegen und die Wasserstadt Trakai besuchen

30 km von Vilnius entfernt, Trakai. Die gotische Inselburg ist ein beliebtes Ausflugsziel.

In Trakai verfahren wir uns etwas und landen auf einem schmalen abschüssigen Bürgersteig. Rückwärts schieben, eher nicht, wenden geht auch nicht, zu schmal, Bordkante zu hoch, da bleibt der Ständer hängen. Mit Sand und einigen Steinen finden wir einen Weg.

Toilettenschild, links Männer, rechts Frauen
Ein Freiluftmuseum unterwegs, doch wir finden es nicht. Im Dorf fragen wir. Ein netter Litauer setzt sich ins Auto, fährt vorweg und nach 2 km sind wir dort. Der Rundweg ist 6 km lang und heiß...wir kürzen etwas ab. Eine alte Dame erklärt uns viel von der entbehrungsreichen Geschichte und auch vom Schicksal der Menschen, die aufgrund des Hitler-Stalin Paktes nach Sibirien deportiert wurden.
Nebenan ein traditioneller Bernsteinschleifer. Ich kaufe einen kleinen Anhänger. Er erzählt noch viel vom Bernstein. Zum Schluß fragt er nach meinem Vornamen, sucht einen Bernstein mit einem M heraus, an einer dünnen Schnur. Er faltet die Hände, dann hängt er ihn um meinen Hals. Der Bernstein würde mich stets schützen. Eine Bezahlung lehnt er ab.

Vor Jurbarkas erreichen wir die Nemunas, die Memel . Mit neunhundertsiebenunddreißig Flußkilometern ist das der längste Fluß Litauens und in Europa die Nummer 14. Nachdem die Memel vierhundertsechzig Kilometer durch Weißrussland geflossen ist, bildet der Fluß auf achtzehn Kilometer Länge die Grenze zwischen Weißrussland und Litauen um dann in Litauen ins Kurische Haff zu fließen.
In Jurbarkas halten wir vor einem mehrstöckigen Gebäude, das Wort HOTEL erinnert uns daran, dass es Abend ist. Unten im Gebäude ein Fahrstuhl. Hotel 5. Stock. Wir drücken den Knopf nichts rührt sich, gehen wieder zu den Rollern, weitersuchen. Da kommt ein junger Mann im bunten T-Shirt gelaufen. Oh, wir suchen ein Zimmer, wir sollen es ansehen. Gut, wieder zurück. Erst muß man auf die 5 drücken, dann einen Knopf zur Betätigung (Enter), ganz einfach. Zimmer mit zwei Betten, Dusche, WC, alles schön. Wohin mit den Rollern? Soo vertrauenserweckend sieht es im Ort nicht aus, einfach auf der Straße parken, nein. Kein Problem, erklärt der freundliche junge Mann, durch die breite Eingangstür, rechts durch eine zweite Glastür, da wäre alles sicher. Der Haken, zur Eingangstür führt eine Treppe mit drei Stufen hoch. Ob wir nicht hochfahren können? Bernd versucht es, mit Gepäck. Sein Hinterreifen fängt an zu qualmen. So nicht. Der Mann hebt an der einen Seite hinten an, ich auf der anderen Seite. Gas und Bernd ist oben, ohne durch die Glastür zu fahren. Mein Gepäck nehme ich ab, die beiden heben an und auch mein Roller ist oben. Am Morgen, hinunter, ist es dann einfacher.


Die Betonbauten aus Zeit russischen Herrschaft vermitteln ein etwas trostloses Bild, das mildern auch nicht die grünen Rasenflächen mit Blumenrabatten und Springbrunnen.
Ich denke an das Buch Ostpreußisches Tagebuch von Hans Graf von Lehndorff. Als Arzt hat er die russische Armee erlebt als sie Königsberg einnahmen. Von hier müssen die russischen Soldaten gekommen sein, sich formiert haben. Und die Landschaft sieht so friedlich aus, so weit. Unsere Fahrt geht Richtung Klaipeda (Memel). Die Kurische Nehrung, Palanga. Jurbarkas sieht etwas trostlos aus und wir fahren leichten Herzens.

Die alten Brunnen werden noch genutzt, wohnen doch hier noch Menschen.


Störche sind überall zu sehen, offensichtliche finden sie noch gute Lebensbedingungen


Weite Wiesen und Felder, wenige Häuser, die Zeit
still zu stehn. .

Klaipeda (Memel) erreichen wir bereits am Vormittag und wollen zunächst den Tag nutzen um die Fähre nach Kiel zu buchen. Bekommen wir noch einen Platz? Das Fährterminal zu finden ist nicht einfach. Zwei Hinweisschilder "Ferry" sehen wir in der Stadt, Navi bringt auch nichts. Wir landen am Terminal für Lkws. Halten, fragen, schließlich landen wir am richtigen Terminal. Die etwas unfreundliche Dame am Schalter erklärt uns, dass die in den Aushängen und Prospekten angegebenen Preise nicht unbedingt gelten. Dort heißt es auf Englisch:
Ticket Preis hängt vom Datum des Kaufs der Fahrkarte ab, sowie über die Anzahl der freien Plätze zum Zeitpunkt des Kaufs. Je weniger freie Plätze vorhanden sind oder je weniger Tage bis zur Abfahrt, desto höher der Preis. und das deutlich.
So sind die Bedingungen bei der Gesellschaft DFDS LISCO. Die unfreundliche Dame auf der anderen Seite malt noch ein Ausrufungszeichen an die entsprechende Bedingung im Prospekt. Ob wir nun buchen wollen? Keine last minutes Preise.
Eine Fähre nach Kiel geht nicht wie erhofft am Samstag, sondern nur Freitagabend oder erst am Montag. So entscheiden wir uns für den nächsten Tag, der ganze Freitag bleibt uns dann noch.
Unsere Laune wollen wir uns nicht verderben lassen und fahren am frühen Nachmittag mit der Fähre in wenigen Minuten hinüber auf die Kurische Nehrung. Dort ist nach wenigen Minuten ein Schlagbaum, drei Durchfahrten mit jeweils einer Ampel. Die Autobesitzer stehen in längerer Reihe um Scheine, Bargeld, in einen Automaten zu schieben, dann geht der Baum hoch und gleich wieder herunter. No cards, Kreditkarten werden nicht angenommen. Das Ganze spielt sich ohne Personal ab, ich denke an die Automaten bei uns auf den Bahnhöfen. Dann sind wir an der Reihe. Die Ampel bleibt grün, der Schlagbaum oben. Wir sehen uns an, Gas, durch. Moppedfahrer sind wohl frei? Das macht den Preis der Fähre wieder günstiger. Gute Laune weit und breit. Kaffee und Kuchen in Juodkrante (Schwarzort) das gönnen wir uns unter schattigen Bäumen, mit Blick auf das Haff. Die Nehrung, ein schmaler mit Wald bestandener Streifen ist ein Platz den wir unbedingt besuchen wollten. Mittlerweile gehört die Kurische Nehrung zum Unesco - Weltkulturerbe. In Nida (Nidden) ließ sich Thomas Mann ein Sommerhaus bauen, das er aber nur noch zwei Jahre nutzen konnte, bevor er emigrierte. Über die Nehrung, den Krieg, Flucht, die Künstler und Schriftsteller ist viel geschrieben worden, das will ich hier nicht wiederholen.
Das Thermometer zeigt wieder über dreißig Grad an. In Nida machen wir einen Bummel, bestaunen die bunten Fischeräuser, die riesigen Dünen. Zu Fuß kann man sie besteigen, dafür ist es uns zu heiß. Gleich hinter Nida ist die russische Grenze zur Enklave mit Kaliningrad (Königsberg). Es ist nicht unser Ziel, wir haben auch nicht das dafür erforderliche Visum.
Warnung an alle Motorisierten, auf der Kurischen Nehrung sind viele Radarkontrollen, mit Radarpistolen, die blitzen also auch Rollerfahrer, nein uns nicht. Die oft sehr holprige Straße ließ auch kein höheres Tempo zu. Die Polizisten kassieren gleich vor Ort.

Kaffee und Kuchen mit Blick auf das Haff


Die Dünenbepflanzung wird durch Waldbrände in Mitleidenschaft gezogen

Malerische Häuser in Nida

Dünen bei Nida

Kurische Nehrung, Ostsee
Zurück von der Nehrung fahren wir durch Klaipeda in das ca. 30 Kilometer entfernte Palanga, die Bernsteinstadt. Am Straßenrand stehen 30 - 40 Menschen hinter Schildern, großen, kleinen, Pappschildern und halten sie hoch. Sie bieten Unterkünfte, Zimmer an, vom Vermieter erhalten sie für die Vermittlung 10 %, erzählt uns ein Hotelier in Palanga. Wir stehen vor einem gut aussehenden Hotel in Palanga. Ein Mann spricht uns an, ob wir ein Zimmer suchen und zeigt auf das Hotel. Er könnte uns die Zimmer zeigen.

Alles edel eingedeckt, doch wir sind die einzigen Gäste

Das war neu für uns, Radio im Bad, mit eingebauter Toilettenrolle.
Noch funktionsfähig die Kaffeemaschine im Hotel
100 Litas pro Person für die Nacht verlangt der Mann, ca. 28,00 Euro. Ja, die Roller können in der Garage untergestellt werden. Wir bezahlen bar, ohne Rechnung und Quittung, bringen Gepäck auf das Zimmer und bummeln in den Kurort Palanga um zu essen. Im Restaurant fragen wir, auf Englisch, nach der Karte. "Russki" ? werden wir gefragt, Liegt wohl daran, dass Bernd mit seinem Bart etwas an den Zaren erinnert. Es gibt auch eine Karte mit englischen Untertiteln. Das Essen ist sehr lecker. Ich probiere Kalte Rote Beete Suppe, delikat, mit viel frischem Dill und Sahnehäubchen. Findet man oft in den Speisekarten.
Wir schlafen gut. Am nächsten Morgen kommt der Mann, er wohnt nicht im Hotel und später erfahren wir, dass es sich um den Besitzer handelt, um 8:30 und schaltet die Alarmanlage der Garage aus. Wir fragen ob wir das Gepäck im Hotel lassen können. Wir wollen uns heute Palanga ansehen, die Fähre geht ja erst um 23:00 Uhr. Kein Problem, den Schlüssel sollen wir in den Briefkasten werfen.
Palanga hat ca. 20 000 Einwohner und war auch zu Zeiten der Sowjetunion schon ein beliebter Bade- und Kurort. Heute wird er in der Saison, Juli und August, von vielen Litauern besucht. Bars, Hotels, Diskotheken, alles was der Urlauber braucht. Wir finden auch die Möglichkeit gut zu frühstücken, das war in unserem Hotel nicht dabei.
Das Bernsteinmuseum in Palanga ist unser Ziel. In einem schönen Park gelegen erinnert uns die Gartenanlage an historische Barockgärten. Viele Exponate sind zu bewundern, der größte Bernstein ist über 3 kg schwer, viele Einschlüsse mit Insekten die vor Millionen von Jahren im Harz der Bäume ihren Tod gefunden haben. Die Wärme hat uns müde gemacht, wir müssen noch unser Gepäck aus dem Hotel holen. Immer noch allein im Hotel, wir schauen in unser Zimmer, es ist noch so wie am Morgen. Die Versuchung ist groß, wir beschließen schnell eine kleine Siesta zu halten und strecken uns auf den Betten aus. Irgendwann höre ich eine Tür klappen. Dann geht unsere Zimmertür auf. Der Mann
steckt seinen Kopf herein und sagt: No problem, schlafen. Doch wir sind wach, wollen uns auch noch Klaipeda ansehen. So stehen wir auf wollen uns verabschieden. Der Mann bietet uns Kaffee an, setzt die Kaffeemaschine in Gang und f ängt an zu erzählen. Ja, hin und wieder hat er Reisegruppen. Das Hotel gehört ihm und seinem Bruder, der hat auch noch ein Cafe im Ort. Er wolle noch 3 - 4 Jahre arbeiten, er hat keine Lust mehr. Sein Sohn hätte Arbeit in Norwegen, die Tochter wolle auch nicht kommen. Er scheint einsam zu sein.

Palanga, das Bernsteinmuseum

Klaipeda, Markt mit viel Handarbeiten

Das Ännchen von Tharau
Hauptattraktionen sind das Stadttheater und der Simon-Dach-Brunnen, wo sich auf dem Brunnen das Wahrzeichen der Stadt Klaipeda befindet: Das Denkmal „Ännchen von Tharau“. Alfred Kühne hat dieses Denkmal 1912 mit Hilfe von Spendengeldern der Einwohner von Klaipeda geschaffen zum Andenken an den in Memel geborenen Dichter Simon Dach (1605 – 1659). Das bekannteste Werk von Simon Dach ist eben dieses Volkslied, „Ännchen von Tharau“.

Klaipeda

Am Abend fahren wir zur Fähre. Letzter check-in 22:00 Uhr. Das Terminal war im Navi gespeichert, so finden wir diesmal den Weg ohne Mühe und können uns auf die bis zu 30 cm tiefen Schlaglöchern konzentrieren oder den in der Straße tief versunkenen Kanaldeckeln. Wer hier im Dunkeln auf zwei Rädern fährt, kann sich schnell den Hals brechen. An der Fähre gibt es lange Wartezeiten bis wir endlich ins unterste Deck einfahren. Gegen Mitternacht legt das Schiff ab und erreicht am nächsten Tag pünktlich um 19:00 Uhr Kiel.
Es wird 20:00 Uhr bevor wir endlich von Bord sind. Noch mal übernachten wollen wir nicht, jetzt wollen wir nach Hause. Also Autobahn A7, Elbtunnel. Bei Allertal wird es dunkel. Nicht gerade mein Hobby nachts auf der Autobahn zu fahren.
Verabschiedung von Bernd, lange Umarmung und jeder fährt Richtung Heimat.
Um 23:30 Uhr bin ich in Jeinsen. Meine Lieblingsfrau hat Wein kaltgestellt.
3200 km zeigt der Tacho mehr an.



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Fotos: Bernd und Max


Dieses Auto aus Braunschweig hatte wohl an der falschen Stelle zur falschen Zeit geparkt. Die eingeschlagene Scheibe ist mit Folie notdürftig repariert.







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